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Short Story Collab #15: Brücke

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Thema für Juni: #16: Wegen zu wenig Beteiligung und Zeitmangel werde ich das Projekt (vorerst) einstellen.

Maibeiträge (Brücke):

Was ist das überhaupt?
Alle bisherigen Beiträge.

«Wer als erstes an der Brücke ist!», rief Rob über seine Schulter, während er bereits loslief.
Rob und Olli hatten wie immer an der Klippe gespielt, obwohl es Kindern verboten war. Oder gerade deshalb. Gab es eine universellere Wahrheit als die, dass von Erwachsenen Verbotenes eine magische Anziehungskraft auf alle Kinder und Jugendliche ausübte?
«Das ist nicht fair» brüllte Olli mit leicht quengelndem Unterton hinterher und sprintete ebenfalls in Richtung der geheimnisvollen Brücke, die an der Klippe begann und in die neblige Ungewissheit ragte. Was auf der anderen Seite war, vermochte niemand zu sagen. Die Alten erzählten zwar einige Geschichten, aber wie viel davon wahr war und was davon nur Ammenmärchen waren, die ihnen Angst machen sollten, vermochte Olli nicht zu sagen.
«Du hattest einen Vorsprung, das zählt nicht», stieß Olli hervor, während er aufholte.
«Ja und, du hast längere Beine als ich und bist schneller, heul nicht rum!»
Rob tat gut daran, mit faulen Tricks zu arbeiten, Olli war bei allen Sportarten stets der beste, ein Naturtalent, während Rob sich trotz ständigen Trainings immer im Mittelfeld bewegte. Während Rob noch über die Fairness von zufällig verteilten Fähigkeiten nachdachte, oder besser über das Fehlen derselbigen, zischte Olli mit herausgestreckter Brust und siegesgewissem Lächeln auf den Lippen an ihm vorbei. Als Rob endlich ankam, stand Olli provokant lässig an einen Brückenpfeiler gelehnt
Rob stütze die Hände auf seine Oberschenkel und versuchte, vornübergebeugt, zu Atem zu kommen. Dabei ignorierte er die bekannten Sprüche seines Freundes. Rob wusste, dass Olli nicht viel hatte, außer seiner sportlichen Überlegenheit, die ihm in wenigen Jahren einen sicheren Platz im Militärdienst garantierte, während auf Rob, der in allen Fächern Klassenbester war, ein ruhiger, und vor allem ungefährlicher, Schreibtischjob wartete.
«Ach Mist», zischte Olli, den Blick in die Ferne gerichtet.
«Hm?»
«Maria.»

«Was ist mit der kleinen Nervensäge?» Rob kam die Ablenkung gar nicht ungelegen, gab sie Olli doch weniger Gelegenheit, sich über seine Niederlage lustig zu machen.
«Sie kommt da hinten angestapft. Und sie sieht nicht glücklich aus.»
«Wann sieht sie das schon? Aber wenn sie uns verpfeift, gibt es Stress. Letztes Mal hatte ich zwei Wochen Hausarrest.»
Kurz darauf stand das kleine, schwarzhaarige Mädchen vor den beiden Jungs.
«Was glaubt ihr, was ihr hier zu suchen habt?», platzte es heraus.
«Ihr wisst ganz genau, dass die Brücke tabu ist, selbst die Erwachsenen machen einen großen Bogen drum, aber ihr habt ja nichts besseres zu tun, als euch gegenseitig zu beweisen, wer der bessere, schnellere, mutigere ist. Wie wäre es, wenn ihr endlich mal erwachsen werdet?»
«Und erwachsen zu sein heißt, sinnlose Regeln blind zu befolgen?»
«Nein Rob, aber…»
«Aber was? Siehst du hier irgendeine Gefahr? Hat man uns jemals einen trifftigen Grund genannt»
«Nein,» erwiderte das Mädchen. «Aber reicht dir die Tatsache, dass hier eine Brücke ist, von der niemand weiß, wohin sie führt, nicht? Oder die Tatsache, dass alle Erwachsenen Angst vor diesem Gebiet haben? Oder der undurchdringliche Nebel?»
«Vielleicht sind die Erwachsenen einfach dumm,» warf Olli ein. «Vielleicht haben sie einfach Angst vor dem Unbekannten und haben nie nachgeschaut. Wer weiß das schon? Wenn wir uns einfach fernhalten, werden wir es nie erfahren.»
«Und was schlägst du vor? Wenn du so mutig bist, dann geh doch auf die Brücke!»
«Gerade wolltest du uns noch verpetzen und jetzt sagst du, wir sollen sogar auf die Brücke? Hast du den Verstand verloren?»
«Du sagst doch, es sei ungefährlich? Wenn du dich nicht traust, gehe ich eben.»
Maria ging um den Pfeiler herum und ein Stück zurück, wo die Brückenauffahrt den matschigen Boden berührte. Langsam ging sie den steilen Weg empor, bis sie schließlich über den beiden Jungs stand.
«Hey, jetzt komm wieder runter, wir habens ja verstanden.»
Rob war besorgt. Wenn ihr was passierte, hatten sie erst Recht Ärger am Hals. Maria ging weiter und achtete nicht auf die beiden.
«Was soll das denn? Jetzt komm zurück!»
Beide rannten fast gleichzeitig los, erst in die entgegengesetzte Richtung, dann um die Kurve auf die Brückenauffahrt und hinter Maria her, die nun schon über der Klippe und im Begriff war, vom Nebel verschluckt zu werden.
«MARIA!»
In der Ferne drehte sich das kleine Mädchen um, ging aber rückwärts weiter.
«Was denn? Habt ihr Angst vor einem bisschen Nebel? Seid wohl doch nicht so mutig, wie ihr immer behauptet, was?»
Schritt für Schritt ging sie weiter, während die Jungs rennend die Entfernung zwischen ihnen und ihr verringerten.
«Na los, kommt schon, dann wissen wir ein für alle mal, was es mit der Brücke auf sich hat.»
«Warte doch wenigstens auf uns.» Nun war Olli es, der außer Atem war. Und Rob rannte gleichauf und ließ sich nicht abhängen.
Maria ging noch einen Schritt. Und noch einen. Noch ein Schritt und der Nebel würde sie komplett verschlungen haben, doch sie ging weiter rückwärts, den Blick stur auf die heranrennenden Jungs gerichtet.
Olli tränten die Augen, er hatte Seitenstiche und seine Lunge schmerzte, doch er rannte weiter. Verschwommen sah er, wie Maria einen weiteren Schritt nach hinten machte – und stürzte. Im Sturz wirbelte sie den dichten Nebel auf, der sich sogleich über sie legte und verschlang. Sie war einfach fort. Olli stockte kurz, während Rob unbeirrt weiterlief, kurz darauf am Rande der dichten Nebelwand aber ebenfalls zum Stehen kam.
«Los, worauf warten wir? Hast du Angst vor Nebel? Was ist, wenn sie in ein Loch gestürzt ist? Die Brücke einfach zu Ende ist? Wir müssen irgendwas tun, verdammt!»
Olli wollte Rob nicht zurückhalten, in den Nebel wollte er aber auch nicht. Irgendetwas stimmte mit dem Nebel nicht, da war er sich sicher. Und er verschluckte sämtliche Geräusche, noch dazu war es komplett windstill. Was auch immer das war, Olli verstand mittlerweile, wieso sich alle von der Brücke fernhielten.
«Verdammt, was sollen wir denn machen?», fragte Rob hysterisch.
Olli versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren.
«Wir gehen ins Dorf zurück und fragen einen Erwachsenen.»
«Bist du von allen guten Geistern verlassen?»
«Ich weiß, aber das ist die einzige, vernünftige Lösung.»
«Du hast Recht,» räumte Rob viel zu schnell ein. Er schien nicht wütend darüber, dass ihm die Entscheidung abgenommen wurde. Und auch nicht darüber, nicht in den Nebel zu müssen. Zumindest vorerst.
Sie wendeten sich gerade in Richtung des Dorfes, als Olli etwas aus dem Augenwinkel im Nebel bemerkte. Er packte Rob an den Schultern und deutete in die Richtung der Erscheinung. Sie konnten nur einen Umriss erkennen, aber es war auf alle Fälle eine Person, die da im Nebel auf sie zukam. Rob warf Olli einen entsetzten Blick zu und dieser verstand, was seinen Kumpel so erschreckte. Die Gestalt im Nebel war viel größer als Maria, es war auf keinen Fall ihre Freundin, die da auf die beiden zuging. Und wenn es nun Wilde im Nebel gab, die jeden töteten, der ihre Brücke betrat? Oder Monster? Aber hätten ihre Eltern dann nicht mehr als nur eine vage Warnung ausgesprochen?
Die beiden Jungs wichen langsam zurück, während die Gestalt unaufhaltsam näher kam. Mit einem Mal durchbrach sie die Nebelwand und die beiden atmeten erleichtert auf, denn vor ihnen stand weder Monster noch Wilder, sondern eine ältere Dame, etwa so alt wie Ollis Großmutter.
«Ähm – hallo…» fing Olli an.
Die Dame richtete ihren Blick auf die beiden vor ihr, aber sie schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein und blickte durch sie durch.
«Hallo» versuchte Olli es erneut. «Entschuldigen Sie, aber haben Sie vielleicht ein kleines Mädchen auf der Brücke gesehen? Dunkle Haare, etwa so groß?» Dabei hielt er eine Hand auf Höhe seiner Schulter.
Die Dame starrte nun nur Olli an, irgendetwas in ihrem Blick veränderte sich, wechselte zwischen Verwirrung und Erstaunen und wurde schließlich zu Erkennen.
«Olli?»
«Woher wissen Sie, wie ich heiße?»
«Olli, Rob – ich bin’s doch.»
Olli fiel es wie Schuppen von den Augen. Auch wenn die Haare grau waren und sie viel größer, es bestand kein Zweifel.
«Ich bin’s, Maria, erkennt ihr mich nicht? Was schaut ihr mich denn so entsetzt an?»
Erschrocken wichen die beiden zurück. So lange sie lebten, würden sie würden nie wieder einen Fuß in die Nähe dieser Klippe setzen.

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